Preiskampf der Transportunternehmer und Preiserhöhungen im Einzelhandel

Preiskampf der Transportunternehmer und Preiserhöhungen im Einzelhandel

04.11.2021 – Tabea Pfizenmayer

Einige Firmen und Geschäfte wie beispielsweise Kik, Nestlé, Unilever, Tchibo, Rossman und viele mehr, kündigen aktuell Preiserhöhung im Einzelhandel an. Als Grund wird neben den steigenden Rohstoffpreisen auch der Gütertransport dafür verantwortlich gemacht. Wir wollen es genauer wissen und haben einen Experten interviewt. Folgend haben wir für Sie das aktuelle Thema der Preisanpassungen für Sie durchleuchtet.  

Preise für Transportleistungen sind in der Regel Vertragswerte. Inzwischen ist die Preisgestaltung ein komplexes Thema und hängt von mehreren Schlüsselfaktoren und Variablen ab, die der Spediteur bei der Preisgestaltung eines Dienstes fast jedes Mal berücksichtigen muss. 

Der Markt

Wenn der Transportmarkt Spediteure bevorzugt, stehen mehr Ladungen zur Verfügung als LKWs, die sie transportieren können. Unter solchen Bedingungen haben die Spediteure den Luxus der Wahl und können die Ladungen, die sie befördern, sehr gezielt auswählen. 

Da die Versender um die verfügbare Bandbreite konkurrieren, steigen die Marktpreise. Dank der großen Menge gut bezahlter Fracht drängen neue Spediteure auf den Markt und bestehende Spediteure reinvestieren Gewinne in ihren Betrieb, indem sie mehr Lkw kaufen und mehr Fahrer beschäftigen. Diese Kapazitätssteigerung setzt sich fort, bis die Waage kippt und mehr LKWs als Lasten zu tragen sind. Die Preise beginnen zu sinken und die verfügbare Fracht beginnt zu schrumpfen. 

 

Die Rohstoffpreise steigen, ebenso die Transportpreise. Die geopolitische Lage in Europa befeuert nur die Tendenz zu steigenden Kosten.  

Vielen Ländern droht der Versorgungskollaps

In Großbritannien sind bereits jetzt viele Regale leer. Unter anderem wegen des Brexits fehlen dort viele LKW-Fahrer und durch die Corona-Pandemie wurden viele Lieferketten gestört, das hat die Lage weiter verschärft. Laut Branchenverband fehlen in Großbritannien rund 100.000 LKW-Fahrer.  

Experten befürchten auch für Deutschland ein Versorgungskollaps. In Deutschland fehlen auch bereits bis zu 80.000 LKW-Fahrer. Der Beruf des Lastkraftwagenfahrers wird immer unattraktiver. Lage Wartezeiten an den Rampen, Staus, Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht gegeben und Mangel an geeigneten Parkplätzen. Ebenso werden Hürden für Transportunternehmer immer größer. Mehr Auflagen, höhere Kosten und viele Verlader drücken immer weiter die Preise. Sodass viele Frachtführer den eigenen Fuhrpark lieber abbauen, anstatt aufzustocken.  

 

„Der Einfluss des Verkehrs auf Preissteigerungen“, wir haben zu diesem Thema ein wenig recherchiert. Wir haben uns mit einem Spediteur aus der Umgebung unterhalten und ihm einige Fragen zur aktuellen Situation auf dem Transportmarkt gestellt. 

Lesen Sie hier, wie er die aktuelle Lage einschätzt: 

Sind die Frachtführer für die höheren Frachtpreise verantwortlich? 

Teils teils. Ja, weil Sie natürlich aufgrund der Marktlage am längeren Hebel sitzen und nein, weil jeder der sich nicht durch deutlich höhere Preise auch vor zu vielen Aufträgen „schützt“, allergrößte Schwierigkeiten bekommen hätte, die Aufträge fristgerecht abzufahren.   Das verärgert die Kunden und schädigt den Ruf. 

  

Wo sehen Sie die Gründe für die Preiserhöhungen?

Es gibt mehrere Gründe für das riesige Volumen auf dem Transportmarkt. 
Durch die Corona Krise verbringen die Menschen viel mehr Zeit zuhause. Der Bedarf an Haushalts- und z.B. Gartengeräten ist riesig, dadurch steigt automatisch die Nachfrage bei den Herstellern und deren Lieferanten. Das sorgt für größere Nachfrage beim Laderaum. 
Ein weiterer Grund ist das durch Corona veränderte Konsumverhalten der Endverbraucher. Was vor Corona im Einzelhandel gekauft werden konnte, wird jetzt vermehrt im Internet bestellt. Auch die deutlich erhöhten Paketzahlen brauchen entsprechend mehr Laderaum. Dazu kommt die Havarie der „Evergreen“ im Suezkanal im März. Die tagelange Verzögerung auf einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt, hat nach der Bergung des Schiffes für einen Stau in den Importhäfen in Deutschland geführt. Das hat die Laderaumknappheit noch einmal zusätzlich verstärkt. 

Kann man sich (relationsabhängig) seine Aufträge handverlesen aussuchen? A la  “Wer am besten bezahlt, bekommt meinen Laderaum?” 

Die Laderaumknappheit hat zu einer großen Preissteigerung geführt. Wir haben bei Tagespreisanfragen mit Zuschlägen von 20-40% gearbeitet, nicht nur, weil es aufgrund der Marktlage möglich war, sondern weil es sonst schlichtweg nicht möglich gewesen wäre, alle Aufträge fristgerecht abzufahren. Priorität hatten aber unsere Stammkunden, die vorrangig bedient wurden. Die Auftragsflut hat dazu geführt, dass nur sehr schwer und gegen hohe Bezahlung weitere Kapazitäten am Spotmarkt gefunden werden konnten.   
Die Situation war aber tatsächlich so, dass wir bei der Suche nach Rückladungen eine große Auswahl hatten und den Auftrag mit der besten Bezahlung angenommen haben.

 

Sind höhere Kosten (Sprit, Maut, Zölle etc) ausschlaggebend mitverantwortlich? 

Die CO2-Bepreisung sorgt zwar für eine Erhöhung der Spritpreise, war aber aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus Anfang diesen Jahres noch kein Faktor. Für den Herbst und den Jahreswechsel kann im Moment aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Frachtpreise- aufgrund der explodierten Spritpreise – noch mal angepasst werden müssen. 

    

Wie hat sich die Frachtpreisgestaltung im letzten Jahr entwickelt? (€/km)

Pauschale Aussagen sind schwierig, wir haben folgende Erfahrung beim Verkauf von Sendungen gemacht: 
  
250-450km  2€/km 
450-600km  1,60€/km 
Ab 600km     1,40€/km 
  
Entsprechend hohe Preise wurden an Kunden die Tagespreisanfragen gestellt haben weitergegeben. 
  

  

Werden Frachtpreise in Zukunft auf diesem Level bleiben? (Weil Frachtführer jetzt wieder stärker ausspielen können, was sie leisten bzw. dass Gesellschaft sie braucht?) 

  

Die Frachtpreise werden zumindest dieses Jahr und im ersten Quartal 2022 nach aktuellen Prognosen noch auf diesem Niveau bleiben. Es besteht leider die Gefahr, dass alle Frachtführer und Speditionen nun Kapazitäten aufbauen und es, sobald der Boom vorbei ist, zu einem massiven Preiskampf kommt, weil die aufgebauten Kapazitäten ausgelastet werden müssen. 

 

Beziehen sich die Preiserhöhungen nur auf den Spotmarkt (Aufträge über Frachtenbörsen) oder wurden Preiserhöhungen auch entsprechend an feste Kunden weitergeben? 

Momentan bezahlen vor allem Kunden die sich Tagespreise einholen deutlich höhere Preise. 
Wir wissen die treue unserer Stammkunden sehr zu schätzen, sodass diese bislang noch keine Preiserhöhung erhalten haben. Preiserhöhungen wird es voraussichtlich diesen Herbst, spätestens Anfang nächsten Jahres auch für Stammkunden geben. Die gestiegenen Spritpreise und höheren Personalkosten sind hier ausschlaggebend. 

 

Die Preise für Paletten sind im Zuge der Holzpreiserhöhung auch gestiegen. Merkt man das?   

Bei der Wahl der Ladungsträger spielt der höhere Preis noch keine Rolle. 
Aber einige unserer Kunden haben nachgefragt, ob Sie Paletten bei uns kaufen können. 
Auf Nachfrage bei einem Paletten Händler in unserer Nähe wurden uns 15,80€ für gebrauchte (!) Euro Paletten genannt. 
 

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